Mittwoch, 27. November 2013

Im Klunkhardshof



Der Stein schob sich zur Seite. Ella Elf öffnete, etwas kleiner als Carlsson, ungefähr so hoch wie ein Lineal. Sie trug ähnliche Stiefel, aber einen grauen Kittel und blauen Wollrock, darüber eine gestreifte Schürze. Und ein dunkelrotes Umschlagtuch über ihren Schultern. Ihre Haare waren grau, gescheitelt und auf dem Hinterknopf unter der Mütze in einen praktischen Knoten gesteckt. Auf dem runden Gesicht mit den Pausbacken, der Stupsnase, und dem breiten Lächeln saß eine Nickelbrille. Sie hatte gelesen.

Ella Elf war die Forscherin unter den Hauswichteln. Lange Zeit hatte sie neben der Salbenküche im Kloster Eibingen gelebt, und dort für die richtige Herdtemperatur beim Salbenbrauen gesorgt. Sie hatte häufig in den vielen schweren Büchern dort gelesen, was sie brauchte, und was sie interessierte. Und das war viel. Sehr viel.

Ihre Heldin war die erste Äbtissin des Klosters, Forscherin wie sie.

Die Hauswichtel von Rüdesheim gingen zu Ella, wenn sie Salben brauchten, Hausaufgaben machten oder Kreuzworträtsel lösten.
Letzteres besonders gerne in den Sommerferien, wenn ihre Familien nicht da waren, und Zeitungen ungelesen durch den Postschlitz fielen. Die Wichtel saßen dann an einer verborgenen Stelle am Rhein neben den Entennestern, hatte ihre blanken Füße im Wasser und lösten Rätsel.
Nach den Ferien wunderten sich die Familien dann über die entsorgten Zeitungen und die gewonnenen Preisausschreiben, an denen sie nie teilgenommen hatten.

Nun aber war Winter, und Carlsson hatte ein Anliegen. Der Stein in der Durchfahrt hatte die Tür zur Elfentreppe geöffnet, einer steilen hohen Wendeltreppe, die die Elfen beim Bau des Klunkhardshofes vor 500 Jahren angelegt hatten. Sie führte in jeden Stock des komfortablen Wohnhauses. Allerdings hatte Ella Elf eine entscheidende Verbesserung vorgenommen. Carlsson und sie stiegen in einen Weidenkorb, an den ein Seil festgemacht war. Ella pfiff, eine der Hauskatzen sprang auf dem Speicher in einen zweiten Korb, und sauste ihnen entgegen.
Das Gewicht der Katze zog sie in die Höhe. Sie stiegen aus, Ella pfiff ein zweites Mal. Die Katze verließ den Korb, und machte sich auf dem Weg in die Küche.

Der Dachspeicher war Ellas Laboratorium. Ein sehr gemütliches Laboratorium. Hier wohnte sie auch.

An der Dachluke stand ein Fernrohr. Ella murmelte etwas von 'Ison, Komet, Jahrhundertereignis', und hörte Carlsson aufmerksam zu.

Als der geendet hatte, schaute sie über ihre Brille und fragte: „Und?“

Carlsson antwortete bedächtig: „Wir brauchen eine Karte.“

Ella antwortete: „Kein Problem. Aber wir brauchen Strom. Der Hamster hat Ausgang. Es ist wolkig, und es geht kein Wind. Würdest Du bitte?“ Sie wies auf ein klines Fahrrad, das über ein Trafo mit einem komplizierten Gerät aus vielen Drähten, Zahnrädern und einer Fahrradhupe verbunden war.

Seitdem Ella Daten verarbeitete, hatten die Elfen keinen Turnverein mehr besucht. Außer einigen Wichteldamen, die ihre Freundinnen und Familien nicht alleine lassen wollten. Aber das merkwürdige Rascheln und Kichern im Kinder- und Seniorenturnen war deutlich leiser geworden.